Mit 1.8.2022 ist die neue Verordnung „Brüssel II-b“ in Kraft getreten, die für den EU-Raum im Familienrecht einige Veränderungen bringt. Sie löst damit die vorhergehende Brüssel II-a-Verordnung von 2003 ab und trägt durch ihre Neuerungen zur Verbesserung der Kinderrechte, zur erhöhten Effizient in Verfahren, zur besseren internationalen Zusammenarbeit und vielem mehr bei.
Ein wesentlicher Kernbereich der Brüssel II-b-Verordnung betrifft die Neubestimmung im Umgang mit internationaler Kindesentführung, wenn also ein Elternteil mit dem Kind unerlaubt ins Ausland flüchtet. Rückführungsverfahren, durch die das Kind wieder ins Herkunftsland zurückgebracht werden sollen, können sich schwierig gestalten. Als Ansatz zur Überwindung allfälliger Hürden in solch einem Verfahren sieht die neue Verordnung nun eine Verbesserung der Kommunikation zwischen den Behörden des Herkunfts- und Zufluchtslandes vor. Auch das zuständige Gericht kann nun direkte Auskünfte und Informationen von den Behörden im Ausland verlangen. Um das Verfahren zu beschleunigen, ist die Frist für das Treffen einer Entscheidung durch sämtliche Gerichte beliebiger Instanz und die Vollstreckung dieser Entscheidung auf 6 Wochen festgelegt worden.
Da die Sichtweise des Kindes zweier Eltern in einem Ehestreit bislang grundsätzlich unbeachtet blieb, kommt dem Kind durch die Brüssel II-b-Verordnung nun das Recht auf freie Meinungsäußerung zu (Art. 21 Brüssel II-b-Verordnung). Das heißt, dass ein Kind, das die erforderliche Reife aufweist, im Verfahren zumindest angehört werden muss. Ob und in welchem Ausmaß auf die Meinung des Kindes eingegangen werden soll, ist demnach weniger vom Alter als eher vom Reifegrad des Kindes abhängig. Dem Kind kommt hierbei eine wichtige Möglichkeit zu, auch seine eigenen Interessen darzulegen und durchzusetzen – in einem Konflikt, in dem die Aufmerksamkeit leider manchmal ausschließlich den Eltern zukommt.
Über diese Neuerungen hinaus beinhaltet die Brüssel II-b-Verordnung noch weitere Bestimmungen, die eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit der Behörden, eine effizientere Gestaltung des Verfahrens oder die Aufwertung von Kinderrechten vorsieht, und sorgt somit künftig für etwas mehr Rechtssicherheit.